Wir feiern wegweisende Forschung mit Giganten der Finanzwissenschaft: Robert Novy-Marx


AUF EINEN BLICK
  • 2023 jährt sich die Veröffentlichung mehrerer Forschungsarbeiten, die den Grundstein für eine neue Art des Investierens gelegt haben.
  • Das intertemporale Preismodell für Kapitalgüter (ICAPM) von Merton (1973), das Drei-Faktoren-Modell von Fama/French (1993) und die Profitabilitätsforschung von Novy-Marx (2013) bilden die Grundlage der Anlagestrategien von Dimensional.
  • In dem letzten von drei Interviews sprechen wir mit Robert Novy-Marx über Profitabilität als Treiber erwarteter Aktienrenditen.

Seit der Veröffentlichung des Drei-Faktoren-Modells von Fama-French im Jahr 1993 haben Wissenschaftler und Experten aus der Investmentbranche mehr als 400 weitere Faktoren vorgeschlagen. Die meisten dieser Faktoren haben keine solide theoretische Grundlage oder bringen keinen zusätzlichen Mehrwert. Doch im Jahr 2013 veröffentlichte der Wissenschaftler Robert Novy-Marx von der University of Rochester eine einflussreiche Studie, die nachwies, dass Profitabilität genau wie Größe und Value langfristig ein zuverlässiger Indikator für erwartete Renditeunterschiede bei Aktien ist. Damit wurde Profitabilität (auch „Quality“ genannt) zu einem Schlüsselfaktor für systematische Aktienstrategien.

Im Jahr 2023 jähren sich dieser und zwei weitere Durchbrüche in der Finanzwissenschaft, die eine neue Art des Investierens begründeten – Faktor-Strategien, die die Kosteneffizienz, Transparenz und Diversifizierung von Indexfonds mit dem systematischen Streben nach höheren erwarteten Renditen verknüpfen:

  • Fünfzig Jahre seit der Veröffentlichung des intertemporalen Preismodells für Kapitalgüter (ICAPM) von Robert C. Merton, das die theoretische Grundlage für Multi-Faktor-Strategien bildete.
  • Dreißig Jahre seit der Entwicklung des Drei-Faktoren-Modells von Eugene Fama und Kenneth R. French, das den Weg für die Umsetzung systematischer Multi-Faktor-Strategien ebnete.
  • Zehn Jahre seit der Veröffentlichung der Profitabilitätsstudie von Robert Novy-Marx, die die Größen- und Value-Prämie als wichtige langfristige Einflussfaktoren für erwartete Aktienrenditen um die Profitabilitätsprämie ergänzte.

Zu Ehren dieser runden Jubiläen hatte ich das große Glück, die Pioniere selbst zu ihren Forschungsergebnissen zu befragen. In einer Serie von drei Artikeln habe ich mit Bob, Ken, Gene und Robert über die Auswirkungen und die anhaltende Relevanz ihrer wegweisenden Forschung gesprochen. In diesem dritten Teil erklärt Professor Novy-Marx, warum der Nachweis der Prämie so lange dauerte und wie Profitabilität mit den anderen Faktoren zusammenhängt.


10 Jahre Profitabilität

Die Professoren Fama und French wussten schon immer, dass ihr 1993 vorgestelltes Drei-Faktoren-Modell nicht alles erklärte – schließlich ist es ein Modell und nicht die Realität. Und doch dauerte es weitere 20 Jahre, bis jemand überzeugende empirische Beweise für einen vierten Faktor nach der Aktienprämie, Größe und relativem Preis vorlegte: Profitabilität.

Savina Rizova: Der Zusammenhang zwischen Profitabilität und erwarteten Aktienrenditen leitet sich aus der seit Jahrzehnten bekannten Bewertungstheorie ab: Die erwartete Rendite einer Anlage hängt von dem Preis ab, den Investoren heute zahlen, und von den erwarteten zukünftigen Cashflows. Warum hat es so lange gedauert, bis wir die Bedeutung dieses Zusammenhangs für praktische Anlagelösungen empirisch nachweisen konnten?

Robert Novy-Marx: Zum einen gehe ich davon aus, dass der Fokus von Analysten auf den final ausgewiesenen Bilanzgewinn dafür verantwortlich ist, dass frühe Tests des Profitabilitätsfaktors in die falsche Richtung gingen. Profitabilitätskennzahlen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung weiter oben stehen, bilden die wirtschaftliche Profitabilität genauer ab, stimmen besser mit der  zukünftigen Profitabilität überein und sind wesentlich besser geeignet, um Unterschiede in den erwarteten Renditen verschiedener Aktien zu ermitteln.

Savina: Wir haben also nur an der falschen Stelle gesucht?

Robert: Es gibt noch einen anderen, subtileren Grund dafür, dass sich der Zusammenhang zwischen Profitabilität und praktischen Anlagelösungen empirisch schwer nachweisen ließ – ironischerweise ist es die Tatsache, dass Value und Profitabilität in der Bewertungsgleichung so eng miteinander verknüpft sind. Die Intuition der Bewertungsgleichung besagt, dass unter ansonsten gleichen Bedingungen Unternehmen mit niedrigeren relativen Preisen mit höheren Abzinsungssätzen bewertet werden, weshalb ihre erwarteten Renditen höher sind. Und sie besagt, wiederum unter ansonsten gleichen Bedingungen, dass Unternehmen mit höherer Profitabilität mit höheren Abzinsungssätzen bewertet werden, weshalb ihre erwarteten Renditen höher sind.

Es kommt hier genau auf die „ansonsten gleichen Bedingungen“ an. Wenn man nur die Profitabilität für sich allein betrachtet und alle anderen Faktoren außer Acht lässt, wird die Prämie durch die Tatsache verdeckt, dass profitablere Unternehmen tendenziell teurer sind. Das heißt, dass einfache, univariate Profitabilitätsstrategien eher in Growth-Unternehmen mit niedrigerer Renditeerwartung investiert sind, was die Identifizierung der Profitabilitätsprämie erschwerte. Aus diesem Grund passen Profitabilität und Value so gut zusammen, und darum war der Titel meiner ursprünglichen Profitabilitätsstudie auch „The Other Side of Value“!

Savina: Du meinst, dass die Value- und die Profitabilitätsprämie so eng miteinander verknüpft sind, dass man sich das eine nicht ohne das andere vorstellen kann?

Robert: Ich habe es immer vorgezogen, Profitabilität als eine Möglichkeit zu betrachten, das Value-Preissignal informativer zu machen. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass Unternehmen mit niedrigeren relativen Preisen unter ansonsten gleichen Bedingungen mit höheren Abzinsungssätzen bewertet werden, weshalb ihre erwarteten Renditen höher sind. Aber die Bedingungen sind nicht immer gleich. Niedrige Preise deuten zwar auf höhere Abzinsungssätze hin, aber eben auch auf niedrigere zukünftige Cashflows.

Die Tatsache, dass günstigere Unternehmen zukünftig tendenziell geringere Cashflows erwirtschaften, macht das Preissignal weniger aussagekräftig. Die Integration von Profitabilität trägt zur Lösung dieses Problems bei. Wenn zwei Unternehmen ähnlich profitabel sind, ist es auch wahrscheinlicher, dass sie zukünftig ähnliche Cashflows erzielen. Die Preisunterschiede zwischen diesen Unternehmen bilden folglich die Unterschiede in den Diskontsätzen genauer ab. Anlagelösungen, die sowohl Profitabilität als auch den relativen Preis berücksichtigen, sind daher zuverlässiger.

Savina: In Deiner wegweisenden Studie aus dem Jahr 2013 geht es um Profitabilität. Die Branche spricht meistens von Quality, die beiden Begriffe werden heute synonym verwendet. Sind sie dasselbe?

Robert: Ich habe den Begriff „Quality“ nie gemocht. Mit scheint das ein Marketingbegriff zu sein, der seinen Ursprung im Platzen der DotCom-Blase hat. Der Begriff wurde verwendet, um Abflüsse aus Growth-Fonds abzuschöpfen und Growth-Anlegern eine Growth-ähnliche Alternative zu bieten, nachdem Wachstumswerte wirklich schlecht gelaufen waren. Das große Problem mit dem Begriff ist, dass er keine klar definierte, einheitliche Bedeutung hat. Man kann so ziemlich alles als Quality bezeichnen, auf was man Lust hat. Ich persönlich bevorzuge Präzision.

Aber ich akzeptiere, dass die Bezeichnung bleiben wird. Geht man danach, wie die Menschen den Begriff verwenden, dann ist Profitabilität eine Quality-Strategie; die Leute stecken jedoch auch viele andere Dinge in den Qualitätstopf.

Savina: Gibt es in diesem „Qualitätstopf“ etwas, das Anleger sich näher ansehen sollten?

Robert: Die interessante Frage ist wirklich, ob diese allgemeineren Quality-Kennzahlen irgendetwas enthalten, das nicht bereits durch den Profitabilitätsfaktor erfasst wird. Meine Antwort ist: nicht viel. Viele der anderen Dinge, die man als Quality bezeichnet, haben einen Profitabilitätsanteil, und das ist es, was ihre Wertentwicklung bestimmt. Das heißt nicht, dass es dort nichts gibt, und einige dieser Dinge sind älter als die Profitabilitätsprämie. Ein Anleger, der sein Portfolio entsprechend ausgerichtet hätte, hätte von dem Profitabilitätsanteil profitiert, doch heute lässt sich diese Prämie effizienter abschöpfen.

Savina: Wohin geht aus Deiner Sicht die Entwicklung der Finanzwissenschaft und der Kapitalanlage?

Robert: Aus akademischer Sicht denke ich, dass wir vor allem praktische Erwägungen ernster nehmen sollten. Zu viel von dem, was wir tun, ignoriert die Reibungsverluste in der realen Welt. Meine aktuellen Untersuchungen zeigen, dass wir zu völlig anderen Ergebnissen kommen, wenn wir diese Reibungsverluste in unsere Modelle integrieren. Das würde uns auch helfen, uns auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren, und unseren Einfluss auf die Praxis deutlich erhöhen.

Auf der Praxisseite sehe ich, dass es immer wichtiger wird, Anlagelösungen auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Anleger abzustimmen. Das ist etwas, das vor 10 Jahren noch nicht praktikabel oder machbar war; aber ich erwarte, dass es in Zukunft viel mehr davon geben wird. Und davon können viele Anleger sehr profitieren.


Weitere Beiträge aus dieser Serie

Savina Rizova ist Mitarbeiterin von Dimensional Investment LLC, einer Tochtergesellschaft von Dimensional Fund Advisors LP.

Eugene Fama und Ken French sind Mitglieder des Board of Directors der Komplementärin von Dimensional Fund Advisors LP und erbringen für diese Beratungsdienstleistungen. Robert Merton erbringt Beratungsleistungen für Dimensional Fund Advisors LP. Robert Novy-Marx erbringt Beratungsdienstleistungen für Dimensional Fund Advisors LP.

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